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*Dieser Blogbeitrag erschien in ähnlicher Form in den aktuellen LiL Nachrichten (Licht in Lateinamerika) 

Panama - leben auf einem sinkenden Schiff...

Posted by admin at 15:10 on 09.09.2020

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Seit unseren letzten Zwei Krisenberichte ist bereits schon einige Zeit vergangen (siehe 'Panama in der Krise' und 'Die Ngäbe und CoViD-19'. Leider gibt es jetzt, fast sechs Monate nachdem der Virus hier eintraf, keine wirklich guten Nachrichten...*

Panama wirkt seit einiger Zeit auf mich wie ein langsam sinkendes Schiff. Das Hauptproblem ist dabei nicht der Virus, sondern unsere korrupte und chaotische Regierung, deren Taten leider meist im Widerspruch zu ihren blumigen Reden stehen. Dazu kommt eine Bevölkerung, die es gewohnt ist, dass Regeln da sind, um gebrochen zu werden solange kein Polizist in Sicht ist. In Folge schlittert das Land, trotz theoretisch sehr strengen Massnahmen, in eine immer grössere Krise. Italien, Brasilien oder die USA haben wir schon längstens überholt was die Ansteckungen pro Bevölkerungszahl betrifft. Es spricht zwar niemand von einem Kollaps, aber unseres schlecht gerüsteten Gesundheitswesens läuft schon lange am Limit. An Ressourcen hätte es dem Land nicht gemangelt, um der Krise besser begegnen zu können, aber ein guter Teil vom Geld landet halt immer wieder am falschen Ort, leider auch jetzt.

In Panama wurden wir schon früh unter Quarantäne gestellt. Ab ende März durften wir nur noch an gewissen Tagen und Zeiten, abhängig von der Ausweisnummer und Geschlecht, zwei Stunden ausser Haus. Für die Stadtbewohner mag diese Zeit genügt haben, aber für uns im Ngäbegebiet wurde damit alles noch komplizierter. Denn ohne diese Regel zu brechen hätten wir uns nicht mehr richtig versorgen können. Mittlerweile dürfen wir uns zwar wieder etwas freier bewegen, aber Ausflüge, Besuche und jegliche Treffen sind untersagt. Dieses monatelange «Zuhause-sein-müssen» und der fehlende soziale Kontakt zehren ziemlich an unseren Nerven. Wir sehnen uns danach endlich mal wieder ganz normal irgendwohin gehen zu können!

Wie fest die sieben indigenen Gruppen Panamas von der Pandemie betroffen sind, ist schwer einzuschätzen. Krankenhäuser gibt’s in ihren Gebieten keine, im Glücksfall haben grössere Dörfer eine Klinik mit Personal. Erstaunlicherweise hat sich hier aber der Virus bisher wenig verbreitet. Kritischer ist es in den Plantagen ausserhalb der indigenen Gebiete, in welchen die Ngäbe und andere als Erntehelfer arbeiten und dort zusammengepfercht in dreckigen Barracken hausen müssen. Abgesehen davon, sind die ärmsten Panamas sehr wahrscheinlich diejenigen, die bis jetzt am wenigsten von den Folgen der Krise betroffen sind. Etwas krass ausgedrückt: da sie nicht viel haben, kann es ihnen gar nicht viel schlechter gehen. So sind sie als halbe Selbstversorger weniger vom Einbruch der Wirtschaft betroffen. Während viele in den Städten seit Monaten kein Einkommen mehr haben und grosse Not leiden, findet man hier auf dem Feld fast immer irgendwo etwas zu essen, z.B. grüne Bananen oder Maniok. Dazu kommen die Sozialgelder, welche die Regierung bis jetzt noch zahlen kann, und neu seit der Krise auch Essenspakete, die regelmässig verteilt werden. Die Situation der indigenen Menschen ist trotz allem nicht berauschend, aber wie gesagt, sie sind es gewohnt.
 

 

 

Maskenpflicht! Die gilt bei uns schon lange. Auch im Ngäbe-Gebiet nutzen viele selbstgemachte Gesichtsmasken. 

 

Bei uns im Dorf bei den Ngäbe, Panamas grösster indigener Volksgruppe, hat sich auf den ersten Blick bisher wenig verändert. Auffallend ist aber, dass man wieder viel mehr Pferde sieht, weil viel weniger Transportautos auf der Hauptstrasse unterwegs sind. Auch bei der Feldarbeit helfen die Kinder wieder mit, denn die Schule ist hier weiterhin geschlossen. Im grossen Ganzen scheinen die Ngäbe gelassen mit der Situation umzugehen. Wie gesagt, sind Krisen für sie nichts Neues. Da sie ausserdem Krankheiten eher der Geisterwelt zuordnen, ist es für sie wichtiger sich unter Gottes Schutz zu wissen als sich vor einer Ansteckung zu schützen. Sie reisen zwar weniger in andere Ortschaften, aber im Dorf besucht man sich weiterhin gegenseitig oder spielt Fussball. Die Welt da draussen wirkt zwar bedrohlicher denn je, scheint irgendwie aber auch weit weg zu sein. Trotzdem nutzen auch hier immer mehr Leute selbstgemachte Gesichtsmasken.

Während unsere Bewegungsfreiheit bis jetzt noch weiterhin sehr eingeschränkt ist, bleibt uns nicht viel mehr, als es den Ngäbe nachzuahmen, und einen Tag nach dem anderen zu nehmen. Wir beten, dass Gott Gnade schenkt bei der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Krise welche sich immer mehr zuspitzt und deren Folgen Panamas Ärmste die nächsten Jahre sehr hart treffen wird.

Hier zum Schluss noch ein paar Bilder-Eindrücke: