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Geschichte

Ein spannender aber tragischer Rückblick

Die Ngäbe blicken auf eine schwierige Geschichte von Ausbeutung und Unterdrückung zurück. Die Quellen zu ihrer Geschichte sind leider eher spärlich und häufig sehr einseitig, da sie überwiegend nur aus der Sicht von Außenstehenden geschildert wurde.

Die Geschichtsschilderungen beginnen mit dem 12. Oktober 1492, als Kolumbus und seine Gefolgschaft erstmals den amerikanischen Kontinent erblickten. Sie waren mit drei Schiffen in diese abenteuerliche Reise aufgebrochen, in der Hoffnung, dass die Erde rund sei. Falls ihre Annahme stimmte, hofften sie eine neue Route über den Atlantik nach Indien zu finden.

Das, was sie aber «entdeckten», war nicht Indien, sondern ein für die Europäer bis dahin unbekannter Kontinent. (Trotzdem haftet bis heute der als eher abwertend gesehene Begriff "Indianer" an den ursprünglichen Bewohnern des neuen Kontinents).

1502 erreichte Kolumbus erstmals Panamas Küsten. Die Region, wo sie an Land gingen, entspricht dem heutigen nördlichen Ngäbegebiet an der Karibik. Dieser Zeitpunkt markierte den Beginn einer schwierigen Geschichte und der Zusammenstoß von zwei völlig verschiedenen Kulturen.  Eine Subsistenzkultur wurde nun plötzlich von den militärisch überlegenen Eindringlingen verdrängt. Fast chancenlos mussten sie mit ansehen wie diese kamen, um ihr Gebiet auszubeuten als hätte es vorher niemandem gehört.

Dieses "Überrantwerden" und das später ständige konfrontiert sein mit der Verachtung der militärisch überlegenen Eindringlinge beinhaltete eine enorme Krise, deren Ausmaß heutzutage kaum nachvollzogen werden kann. Ein Grund dafür liegt darin, dass die Geschichtsschreiber mehrheitlich von der Perspektive der glorreichen «Entdeckung» Amerikas sprechen. Die Eroberungszüge werden dabei häufig mit der angeblich noblen Absicht der Kolonialherren, diese Völker zu «zivilisieren» und «christianisieren», gerechtfertigt. Bis heute wird dies in den Geschichtsbüchern überwiegend so dargestellt. Es führt dazu, dass auch jetzt noch der damals begangene Völkermord und Raub, und das Aufzwingen einer fremden Religion und Kultur während der Kolonialzeit, schöngeredet werden.

Das Kreuz und das Schwert

Dieser Logik folgte die spanische Inbesitznahme der eroberten Gebiete. Ausbeutung, Raub und Totschlag wurde mit der angeblich noblen Absicht der sogenannten «Missionierung» und «Zivilisierung» der indigenen Bevölkerung gerechtfertigt.

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Die Kolonie - eine Geschichte der Zerstörung und Vernachlässigung

Es wird vermutet, dass Panama dicht besiedelt war, als die Spanier ankamen. Es lebten damals wahrscheinlich mehrere Dutzend indigene Volksgruppen im Land, die teils schon beachtliche Fortschritte in der Töpferei, Schmiedekunst oder Landwirtschaft erreicht hatten. Der Tauschhandel erstreckte sich im Norden bis zu den Mayas in Mexiko oder nach Ecuador im Süden. Die Atmosphäre im Land war dabei alles andere als friedlich. Durch die engen Platzverhältnisse sollen kriegerische Handlungen zwischen den verschiedenen Gruppierungen zur Tagesordnung im Kampf um die vorhandenen Ressourcen gehört haben.

Im Fall von Panamas Anfänge der Kolonialzeit sticht als Erstes die in Geschichtsbüchern selten erwähnte Dezimierung der Bevölkerung ins Auge.  So lebten in Panama je nach Schätzung zwischen 600'000 und 2 Millionen Menschen, bevor die Spanier ankamen. Fakt ist, dass 1522, d. h. 20 Jahre nach deren Ankunft nur noch etwa 13'000 indigene Menschen im Lande lebten. Die Versklavung von Tausenden, die für Arbeiten in Minen nach Peru geschickt wurden, kriegerische Handlungen von den Spaniern importierte Krankheiten, Selbstmorde und Assimilation trugen unter anderem dazu bei. Viele der einheimischen Volksgruppen wurden in dieser Zeit bereits vollständig ausgerottet. Die Ebenen in den Küstengebieten wurden fortan von den spanischen Siedlern und assimilierten Indigenen (d. h. diejenigen, die sich «christianisieren» ließen) und deren Nachkommen bewohnt.

Die heutigen Latinos sind die Nachkommen der Mischlingsbevölkerung, die sich aus den assimilierten indigenen Volksgruppen, den spanischen Siedlern und den importierten Sklaven aus Afrika herausbildete. In abgelegenen Gebieten wie in den Bergen im Westen Panamas schafften es aber einige indigene Gruppen zu überleben. Da die Spanier in dieser Region kein Gold fanden und der Sklavenbedarf nach der Anfangszeit aus Afrika gedeckt wurde, lebten die Einheimischen dort über Jahrhunderte relativ ungestört von ihrer Außenwelt. Diese «Ungestörtheit» bedingte aber auch eine totale Vernachlässigung durch die zuständigen Regierungen, welche es nie als nötig erachteten, den indigenen Menschen im Lande die gleichen Rechte wie dem Rest der Bevölkerung zuzugestehen. So lebten diese über Jahrhunderte für sich in der Vergessenheit.

Der Fortbestand der Kolonialzeit bis heute

Auch wenn Panama seit 1821 von Spanien unabhängig ist, änderte sich aus der Perspektive der indigenen Völker Panamas die Situation nie wirklich. Aus ihrer Sicht blieb im Prinzip das kolonialistisch geprägte System unverändert bestehen. So sind sie bis heute weiterhin, wie bei der Ankunft der Europäer mit einem System konfrontiert das ihnen von außen aufgesetzt wird. Die Muster der Benachteiligung, Ausbeutung und das Ziel, sie möglichst zu «zivilisieren» und «gute» Landesbürger (d. h. Latinos) aus ihnen zu machen, sind gleich geblieben. Haben ihnen früher z. B. die spanischen Kolonialherren das Land geraubt, so waren es im letzten Jahrhundert die einheimischen Großgrundbesitzer.

Trotz der Abgeschiedenheit, in der viele der indigenen Menschen bis heute leben, intensivierte sich ab dem 20. Jahrhundert der Kontakt der Ngäbe mit der Außenwelt. Ein Grund war der rasante Bevölkerungswachstum, den sie erlebten und die damit verbundene steigende Landknappheit. Daraus folgend war es für sie nicht mehr möglich, als Selbstversorger mit ihren traditionellen Anbaumethoden in den ihnen noch verbliebenden Gebiet zu überleben. Sie wurden dadurch wirtschaftlich immer mehr von der Außenwelt abhängig und kamen dann meist als schlecht bezahlte Arbeitskräfte auf Farmen oder Plantagen zum Einsatz. Ab den 1960ern nahm dann die Regierung auch immer mehr Einfluss in ihr Gebiet. So wurden bald darauf auch erste spanischsprachige Schulen und ein paar wenige, meist schlecht ausgerüstete Gesundheitszentren gebaut.

Eine Gegenreaktion auf die wachsenden äußeren Einflüsse erfolgte durch die Mama Tata Bewegung (auch Mama Chi genannt) ab den 1960ern. Sie startete als eine religiöse synkretistische Bewegung, welche katholische wie auch indigene animistische Elemente enthielt. Sie stellte eine reaktionäre Bewegung dar, die darauf aus war, dass sich die Ngäbe von allen äußeren Einflüssen abschotten und distanzieren sollten. Interessanterweise wurden aber auch gewisse traditionelle Bräuche wie die mit Trinkgelagen verbundene Feste (Balserías und Chicherías) verboten. Seinen Ursprung hatte das Ganze in einer himmlischen Vision, die eine junge Frau angeblich hatte. Gemäß den von ihr übermittelten Angaben sollten sich alle Ngäbe der Bewegung anschließen. Im Falle, dass sich alle an die Gebote dieser neuen Religion hielten, würde dann ein goldenes Zeitalter anbrechen. Da diese Frau aber bald darauf verstarb und die versprochenen besseren Zeiten nie eintrafen, verlor die Bewegung rasch an Einfluss.

Obwohl die Mama Tata Bewegung sehr umstritten ist, legte sie positiverweise unter den Ngäbe die Grundlage für eine Neubewertung ihrer eigenen indigenen Identität. Sie beeinflusste maßgeblich den darauffolgenden Kampf für mehr Selbstständigkeit und den Erhalt ihres Gebietes ab den 70ern. Auch wenn die Mama Tata Bewegung in vielen Regionen den Rückhalt unter den Ngäbe verlor und heute vielerorts kaum noch Einfluss hat, gilt sie weiterhin als die offizielle Religion der Ngäbe. 

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Die Ngäbe-Widerstandsbewegung


Ursprünglich inittiert von der Mama Tata Bewegung in den 1960ern, kämpfen die Ngäbe bis heute für ihre Rechte. Ein grosses Vorbild ist für sie der legendäre Häuptling Urracá, der einst erfolgreich gegen die Spanier kämpfte (siehe Münzgravur im letzten Bild).

Der Kampf für die Eigenständigkeit intensivierte sich auch dadurch, dass die Regierung in den 1970ern ohne Rücksprache plante, eine riesige Kupfermine mitten im Gebiet der Ngäbe auszubeuten. Es handelte sich um das damals weltweit größte bekannte Kupfervorkommen. Da die Ngäbe bald merkten, dass ihre Interessen im Ganzen keine Rolle spielten, starteten sie ihre bis dahin größte Mobilisierung ihrer Geschichte. Durch die internationale Aufmerksamkeit, den schlechten Kupferpreisen, die finanziellen Schwierigkeiten des Landes und der unerwartete Tod des damaligen Diktators Torrijos, wurde das Projekt damals glücklicherweise sistiert. Es gab in den letzten Jahren aber Hinweise darauf, dass die Regierung dieses gigantische Projekt irgendwann wieder aufgreifen könnte.

In ihrem Kampf für die Respektierung ihrer Rechte stellt aktuell die Schaffung der Ngäbe-Buglé Comarca in 1997, als ein (theoretisch) eigenständiges indigenes Gebiet, eines der grössten Erfolge dar. Leider hat aber in der Praxis das Konzept der Comarca bis heute nicht wirklich funktioniert. Die vielen Einschränkungen der Regierung und die korrupte und eigensinnige Führung der Ngäbe sind maßgeblich dafür verantwortlich ...

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