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Mein liebster Stock

Posted by admin at 17:50 on 24.08.2019

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Mein liebster Stock: Wie sehr habe ich deine Gegenwart in der Anfangszeit meiner Urwaldreise geschätzt. Auf den matschigen Wegen warst du mir von grossem Nutzen, um so manchen bösen Sturz zu vermeiden. Auch beim Überqueren von teils ziemlich reissenden Flüssen kontte ich auf dich zählen, so dass ich stets das Gleichgewicht wahren durfte. Es war einfach großartig, dank dir eine so wertvolle Stütze – ja quasi ein drittes Dschungelbein - gefunden zu haben.

So viel Gegenleistung, dafür dass ich dich mit meinem Messer ein bisschen schön gemacht habe und mit auf die Reise mitgenommen habe! Ich war einfach nur dankbar dich dabei zu haben und machte mir bereits Gedanken, ob zwischen uns gar eine langfristige Beziehung entstehen könnte. Der grobe Plan war es nach der Reise dich womöglich mit nach Hause zu nehmen.

Ja, das würden wir schon irgendwie hinbekommen und vielleicht noch lange gemeinsam durch Panamas Berge und Hinterland ziehen. Aber dann kam alles anders als gedacht...

Der verhängnisvolle Moment ereignete sich während meiner Siesta. Während ich mich in einer Hütte in der Hängematte ausruhte, hörte ich wie jemand nach deinem Besitzer fragte und dies dann gut hörbar kommentierte in der Meinung ich sei am Schlafen. Ich war aber halb wach und das was ich hörte gefiel mir gar nicht. Ja, so soll es sich nicht gehören, dass ein Mann meines Alters mit einem Stock unterwegs sei. Das sei was für Kranke, Schwächlinge oder Weicheier. Sapperlot – nun war die Müdigkeit definitiv verschwunden! Später erfuhr ich sogar, dass es Greise weiter auch nicht mögen, wenn junge Leute wie ich sich dieses Vorrecht nehmen, welches nur jemandem mit grauem Haupte zugestanden wird.

Die Urwaldwürfel waren somit gefallen. Durch die gegebenen Umstände war unsere Trennung eine unvermeidbare Tatsache. Ich gestehe, es fiel mir nicht einfach. Denn ich stehe sonst auch in schlechten Zeiten zu meinen Freunden und wie gesagt, war ich für deine Hilfe sehr dankbar und die Wege waren ja auch sehr rutschig. So nahm ich dich zuerst zwar noch mit, aber als wir dann später in ein Boot umstiegen war die Zeit gekommen Abschied zu nehmen. Schweren Herzens liess ich dich einfach dort am Ufer liegen...

Das Ganze war keine Entscheidung die einfach einer Charakterschwäche von mir entsprungen ist, sondern aus dem Wunsch auf die hiesige Kultur Rücksicht zu nehmen. Da gilt's manchmal auch gewisse Opfer zu bringen - diesmal hat es leider dich mein liebster Stock getroffen. Ich geb’s aber auch zu, dass ich mich wegen dir in meiner Männlichkeit nicht hinterfragt sehen wollte und mich auch darum entschied fortan allein, ohne dich als Stütze, halt auf zwei Beinen durch den Wald zu stolpern.