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Du dummes Huhn!

Posted by admin at 15:10 on 20.06.2020

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Jede Ngäbe-Familie besitzt Hühner, viele Hühner, vielleicht zwei, drei duzend oder mehr! Auf jeden Fall sind es meist sehr viele, zu viele. Ausnahmen gibt es dann, wenn ein wildes Tier, ein hungriger Hund – hier haben nicht nur die Menschen ungenügend zu essen! -  oder sonst jemand (wohl auch mit Hunger) mal unbemerkt in der Nacht vorbeikam und den Bestand etwas „aufgeräumt“ hat. Trotz diesen hier gängigen Widrigkeiten scheint unser Nachbar stets einen beachtlichen Schwarm mit vielen bis sehr vielen Hühnerviechern zu haben. Natürlich ergeben sich daraus viele Eier (bzw. Heerscharen von Küken) und letztlich einige leckere Mahlzeiten. Während wir aber an diesem Ertrag der Nachbarshühner nicht beteiligt werden, fordert das zerstörerische (und nervig-hartnäckige) Potential dieser scharrenden, flugunfähigen Vögel meine Geduld immer wieder ziemlich heraus...

Unsere Hühnertruppe im Aufbau (Bilder von April bis Juni 2020)

Da wir hier unter den Ngäbe leben, haben wir seit kurzem auch Hühner, so wie es sich eben gehört. In Anbetracht dessen, dass wir liebend gerne Eier in jeder möglichen Form verspeisen, hatte diese Erweiterung unserer kleinen „Farm“ durchaus seinen Reiz (das Thema schlachten haben wir bisher noch verdrängt). So ist es doch ganz nett zum Frühstück auch mal frische Freilandeier von glücklichen Hühnern essen zu können, anstatt den gekauften Antibiotika-Eier von diesen mit Hormonen aufgepumpten Vögeln. Diesbezüglich weichen wir aber bereits total von der lokalen Norm ab. Denn Eier der eigenen Hühner sind hier nicht zum Essen da (da kaufen die Ngäbe lieber die völlig überteuerten Industrie-Eier im Laden), sondern um ausgebrütet zu werden (die Hühner-Truppe soll ja aufrechterhalten bleiben). Nun, wir haben jedenfalls die ersten Eier alle aufgegessen. Als unsere Henne im leeren Nest dann zu brüten begann, fragte ich verschiedene Leute, wie ich denn das dumme Huhn aus dem „Brütmodus“ bringe. Ich erntete nur ungläubige Blicke und man sagte mir: „Gar nicht. Du legst dem Huhn jetzt Eier rein und dann soll es ausbrüten“. Aha.

Nun, eigentlich geht es mir aber hier gar nicht ums Thema Ausbrüten oder Verspeisen von Hühner-Eiern. Es geht auch nicht um meine eigenen dummen Hühner. In diesem Zusammenhang könnte ich zwar auch einige Geschichten erzählen, wie z.B. von unerhörten Kindergebeten mit toten Küken als Ergebnis oder von hungrigen Hunden, die zigmal Nachts ins Gehege eindrangen und wovon ich zwei mit einer selbst gebauten Falle erwischte und dann verprügelte (hungrige Hunde verstehen nur diese Sprache). Aber darum geht’s jetzt nicht. Denn beim Thema «dummes Huhn» denke ich eigentlich an die Hühner unseres Nachbarn.

 

Doppelt erwischt! Einmal mit der Photo-Falle und dann noch mit meiner Schlingen-Falle, in welcher der Hund hier hängt. Er und seine Kollegen zerissen immer wieder das Hühner-Gehege, um in den Stall einzudringen um Hühnerfutter (immerhin nicht die Hühner) zu essen... nach der "Behandlung", welche auf dieses Bild folgte, kam dieser Hund nicht wieder....

 

Zurück zu unserem Nachbarn bzw. seinen Hühnern. Der Nachbar selbst ist übrigens ganz nett und wir haben ein gutes Verhältnis zueinander. Meine Beziehung zu dessen Hühnern steht aber unter einem ganz anderen Stern. So können mich diese Viecher auf die Palme treiben, wie kaum ein anderes Wesen auf dieser Erde. Sie laufen überall rum, verscharren alles und machen dabei viele Pflanzen kaputt, insbesondere während der Trockenzeit, wo es weniger zu Essen gibt. Die Tiere mit einem Zaun von unserem Land fern zu halten ist dabei keine kulturell passende Lösung. Maschendrahtzäune sind hier selten und die Leute lieben es aus allen Richtungen zu unserem Haus oder einfach so durch unser Land zu laufen. So auch die Hühner. Diese Tiere laufen überall frei herum und kennen dabei noch viel weniger als ihre Besitzer unseren europäischen Begriff von Eigentum oder Privatsphäre. So haben die Hühner keine Scheu bei uns fröhlich mit ihrem Nachwuchs durchs Zeug zu gackern oder auch unsere Terrasse als Toilette zu benutzen. Was mich am Ganzen besonders stört: sie tun es meinem Eindruck nach in einer solch arroganten Haltung, die ich einfach äusserst unsympathisch finde. Sie weigern sich dabei stur zu begreifen, dass sie bei uns nicht erwünscht sind. Dumme Viecher!

All dies war ein weiterer guter Grund, warum wir damit begannen unsere eigene Hühnertruppe aufzubauen (bisher sind es aber „nur“ vierzehn Tiere). Der Plan war, dass in Gegenwart unserer eigenen Hühner-Heerschar, sich die Nachbarshühner von unserem Land zurückziehen. Fremde Hühner, so wurde mir gesagt, dringen weniger häufig ein, wenn das Land vom eigenen Gockel und seinen Hühnern belegt wird. Natürlich sind auch meine Tiere nicht viel netter als die vom Nachbar. Auch sie nutzen die Terrasse als Toilette und auch sie machen mir Pflanzen kaputt. Aber immerhin liefern diese Hühner mir Eier und am Ende werde ich die Rechnung mit jedem von ihnen in meinem Teller begleichen können. Dazu kommt ein wichtiger Aspekt: im Unterschied zu unseren Nachbarstieren, bekommen meine Hühner genügend zu essen. Sie sind somit nicht ganz so verzweifelt am Scharren wie diese und machen daher viel weniger kaputt.

Nun, die Strategie ging fast auf, leider eben nur fast. Der grosse Teil der Nachbarshühner hat sich tatsächlich in andere Gefilde zurückgezogen, mit Ausnahme von ein, zwei Hühnern mit ihren Küken und einem hässlichen Gockel ohne Freunde.  Insbesondere ein Huhn zeigt dabei eine mich fast in den Wahnsinn treibende Beharrlichkeit mit der sie laut gackernd mit ihren Küken durch meine Pflanzungen zieht. Lasse ich unseren Hühnerstall aus Versehen mal ein paar Sekunden offen, erscheint wie aus dem Nichts das dumme Tiere mit ihrem Gefolge, froh mal endlich reichlich Gutes zum Essen für ihre Kleinen gefunden zu haben. Bereits um 6:00 Uhr höre ich draussen das „gock gock“ unseres Nachbarshuhnes. Vorbei ist dann der morgendliche Frieden. Bin ich später am Sprache lernen, ertönt in kurzer Zeit ausnahmslos bald wieder das bekannte „gock gock“. Renne ich dann raus, um das Huhn zu vertreiben, wird es meist innert Kürze wieder zurück sein. Man könnte dabei fast meinen, das Tier sei mit einem unsichtbaren Gummiband bei uns festgemacht. Alle Verscheuchungsversuche sind bisher erfolglos geblieben (einem davon ist leider sogar ein Küken zum Opfer gefallen). Ich versuche dann trotzdem irgendwie vorwärts zu kommen...

Natürlich ist Gewalt ist keine Lösung, insbesondere da mir ein gutes Verhältnis zu den Nachbarn sehr am Herzen liegt. Eigentlich meinte ich ansonsten auch recht nett und geduldig zu sein. Aber hier, beim Thema Hühnern, da brennen mir stets in Kürze alle Sicherungen durch. Da könnte ich mir definitiv etwas der Gelassenheit der Ngäbe aneignen. Aber ich bin halt einfach kein Ngäbe und so nerven mich diese dummen Tiere einfach nur. Und die Vögel sind wohl auch gar nicht so dumm, denn sie wissen ganz genau was sie wollen und wo es etwas zu holen gibt. Sie leben mir damit vor, was Beharrlichkeit ist. Egal ob es Erde hagelt, unangenehme Wasserduschen gibt und sie stets vor dem genervten „Gringo“ auf der Hut sein müssen, sie bleiben dran und kommen wieder. Somit danke liebe Hühner, dass ich mit euch so viel lernen kann und dank euch mein Charakter weiter geschliffen werden darf.