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Kulturschock oder Ähnliches

Posted by admin at 23:05 on 20.04.2018

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Gemäss Wikipedia bezeichnet ein Kulturschock „den schockartigen Gefühlszustand, in den Menschen verfallen können, wenn sie mit einer fremden Kultur zusammentreffen“.

Ok – nein, ganz so schlimm erging es bis jetzt noch niemandem von uns. Keiner ist bisher in eine Schock-Starre oder Ähnliches gefallen. Und doch gibt’s gewisse Dinge, die den eigenen Gemütszustand beim Eintauchen in eine neue Kultur doch ziemlich strapazieren können.

Nein, die Leute sind’s nicht. Die Meisten waren bisher wirklich sehr freundlich zu uns und ein paar Unfreundliche gibt’s ja überall. Ja, auch am Essen kann es nicht liegen. Der Speiseplan enthält zwar viel Fettiges – aber das frittierte Zeug schmeckt uns prächtig. Aber zugegeben – da gab’s bezüglich des Essens schon mal ein paar Herausforderungen. So z.B. als wir einen Kübel voller zappelnder Krebse geschenkt bekamen und vor der Aufgabe standen daraus was Feines zu kochen (was uns dann tatsächlich gelungen ist, wobei nicht alle in der Familie dann gleich viel Hunger hatten). Da gibt’s auch was zum Thema Hühnerfleisch, was hier viel gegessen wird. Seit einigen Wochen sind wir nun ganz sicher, dass dieses nicht einfach im Supermarkt wächst. Nein, dahinter stecken echte Hühner, denen der Kopf abgeschlagen werden muss bevor man sie in ihre Einzelteile zerlegt (sogar die Füsse und Innereien kann man übrigens verwerten). Die Lektion wie man das alles macht, haben wir von unseren lieben Nachbarn bereits erteilt bekommen. Echt nett – sogar das Huhn haben wir dazu noch geschenkt bekommen! Trotzdem kam doch schon mal der Gedanke auf, dass das Vegetarier-Sein doch auch seinen Reiz haben könnte. Aber vergessen wir’s! Ein Ngäbe würde nie verstehen warum das Fleisch-Essen ein Problem sein sollte. Sie sind ja froh, wenn sie überhaupt was zu essen haben.

Aber eben, trotz diesen, sagen wir mal «netten Herausforderungen», wissen wir nicht, ob dazu wirklich die Diagnose «Kulturschock» passt. Apropos Schock: da gab’s die vielen Begegnungen mit diesen Skorpionen, die uns ganz sicher nicht besonders erfreuten (dazu mehr im aktuellen Rundbrief). Einer oder zwei pro Jahr bringt hier niemanden aus der Fassung. Ja, und so wurden wir auch mehrmals nett darauf hingewiesen, dass wir halt lernen müssen mit diesen Tieren zu leben (sie waren ja letztlich auch vor uns schon im Lande). Aber eben, als wir innert einem Monat schon fast zwei duzend dieser Viecher erledigten – naja, da drohen auch starke Nerven irgendwann mal zu reissen.  Aber was hat dies mit Kultur zu tun, um hier von einem Kulturschock zu sprechen?

Kulturschock hin oder her, auch wenn wir bisher sehr viel Positives erfahren durften, so gibt’s doch unzählige - meist kleine - Dinge (wie z.B. Skorpione) die zusammengerechnet in so einer Anfangszeit ziemlich belastend sein können. Da ist z.B. der Verkehr, wo es zwar offiziell anscheinend sogar Regeln gibt, aber letztlich doch jeder fährt wie er will und der Grössere Vortritt hat. Dann kommen die Behördengänge hinzu, wo man sich häufig der Willkür ausgeliefert fühlt. Dort wird man gerne regelmässig von Pontius zu Pilatus gejagt, um einfachste Formalitäten zu erledigen! Bei aller Liebe zu diesem Land, es zehrt schon an den Nerven, wenn Ineffizienz Teil des Systems zu sein scheint. Ja, selbst der Mechaniker (und da musste ich mit unserem alten Auto schon viel hin) hat mich schon mehrmals abblitzen lassen, obwohl wir einen Termin ausgemacht hatten. Und dann fährt man in die Stadt, hat eine ellenlange Einkaufsliste und fragt sich bei jedem dritten Eintrag, wo man das Zeug überhaupt bekommt (am besten wäre es alles direkt in China zu bestellen, woher so oder so das meiste herkommt, aber die Post funktioniert ja nicht). Beim Abklappern der teils riesigen Kaufhäusern, die viele Läden in der Heimat bezüglich Warenmenge in den Schatten stellen, fühlt man sich wie in einem Detektivspiel mit der Frage: wo finde ich nur mein Zeug? Ist man danach wieder im, fast kochenden, Auto auf der Strasse unterwegs und muss zum x- Mal eine Vollbremsung machen, um nicht von einem grösseren Auto abgeschossen zu werden (die Kleineneren müssen ja selbst auf sich aufpassen), dann kommt schon mal die Frage auf: was mache ich eigentlich hier? Erlebe ich vielleicht doch ein Kulturschock? – ich weiss es nicht, vielleicht.

Jedenfalls hat so ein Wechsel in ein fremdes Land es schon irgendwie in sich. Wir werden es aber sehr wahrscheinlich schon überstehen (das hoffen wir zumindest). Vielleicht fragen wir uns sogar schon bald warum wir uns an solchen Kleinigkeiten überhaupt stören konnten. Bis dahin sind wir froh zu wissen, dass viele für uns beten und wir hier sind, weil wir einen Auftrag haben den Gott uns aufs Herz gelegt hat. An dem möchten wir dranbleiben – auch dann, wenn es mal schwieriger sein sollte und uns Skorpione, Bürokraten oder andere Autofahrer auf den Keks gehen.